Opas Examensarbeit

Wieder einmal machte Tante Ami ihrem Ruf als Familienarchivarin alle Ehre, als sie mir postalisch ganz unvermittelt ein fast hundert Jahre altes Dokument zukommen ließ: meines Opas Examensarbeit. Hermann Korte, geboren am 9.9.1899, also im vorletzten Jahrhundert, war Volksschullehrer. Nachdem er als junger Mann im letzten Kriegsjahr des Ersten Weltkrieges zu dienen gehabt hatte, schloss er im Juli 1920 die erste Lehrerprüfung ab. Die vorliegende Arbeit trägt kein Datum, ist aber wahrscheinlich der zweiten Lehrerprüfung im März 1925 zuzuordnen, worauf die Ortsangabe „Kirchderne“ (Abschrift S.16 unten) schließen lässt. In Derne (NRW) arbeitete er seit 1922 als Lehrer.

Nun hatte ich das wertvolle Dokument, handschriftlich in gestochen scharfem Sütterlin auf vergilbtem Papier, nahm es ehrfürchtig und voller Freude in die Hand – und konnte es nicht lesen. Zum wiederholten Mal in solchem Fall rettete mich meine Nachbarin Sigrid de Vries, die bereits beim Poesiealben-Projekt mit Schülern hilfreich gewirkt hatte, als es darum gegangen war, die teilweise zweihundert Jahre alten handschriftlichen Einträge zu entziffern.
So wandte ich mich auch dieses Mal vertrauensvoll an die alte Dame mit der Bitte, Opas Gliederung für mich abzuschreiben.

Einige Tage später rief Frau de Vries an und vermeldete, sie sei fertig mit Opas Examensarbeit. Und was soll ich sagen – sie hat die ganzen 27 Seiten abgeschrieben.

Voller Freude stürzte ich, die Enkelin und Lehrerin, mich in die Lektüre – und in eine weitere Runde des Abschreibens. Aus der Nachbarin handschriftlicher Version machte ich die getippte und empfehle sie hier dem geneigten Leser zur Lektüre. (Unter dem Artikel anklicken.) Der Titel der Arbeit ist „Welche Bedeutung haben Lehrer- und Schülerfrage und wie pflege ich sie in meinem Unterricht?“ So also dachte man Schule vor etwa hundert Jahren, zwischen den beiden Weltkriegen. Manches ist gar nicht so sehr von gestern.

Auch die Korrektur ist sichtbar, aber diese konnte niemand von uns entziffern.

Opas Examensarbeit

Eine Antwort

  1. Hallo liebe Christine!
    Vielen Dank für die Übersendung dieses ungewöhnlichen Schriftstückes.
    Bei Gelegenheit und mit Muße werde ich es einmal ganz lesen – eben habe ich nur den Anfang geschafft. Es ist doch etwas ungewöhnlich zu lesen. 😉
    Dir schöne Ferien – und liebe Grüße.

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