Am Ende eines Lebens.

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Meier 2002-2016

Was können wir sagen, wenn ein Leben zu Ende geht?
Wir fragen, warum.
Warum jetzt?
Warum so?

Mein vielgeliebter Hund ist gestorben, und es ist, als merkte ich erst jetzt, nach so vielen Trennungen und Abschieden, wie leer ein Haus wirklich sein kann.
Ich höre, fühle und rieche ihn überall, immer noch. Er tappt über das Parkett, atmet tief im Schlaf und öffnet mit der rechten Vorderpfote eine Tür, die dann ein bisschen quietscht. Es war immer noch eine Bewegung außer meiner eigenen da, Geräusche, Wärme, ein Atem.
Jetzt nicht mehr.

Meier ist ziemlich alt geworden. Daran am Ende zu sterben, ist irgendwie in Ordnung.
Als er ungefähr vier war, habe ich ihn aus dem Tierheim zu uns geholt.
Bis fast zuletzt ist es ihm gut gegangen. Mit Krankheiten hat er sich nie wirklich abgegeben, und ein bisschen blind und lahm und taub sind wir schließlich irgendwie alle. Damit war gut zu leben in den letzten Monaten.
Jetzt bin ich übrig geblieben. Ich muss die Räume füllen und die Leere, die Tränen aushalten und mich von so vielen Erinnerungen nähren an die gemeinsamen Jahre.
Es waren so gute Jahre, dass es weh tut, wie sehr er fehlt.

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Ins Wasser kam er nicht mit, wenn ich mich an warmen und kalten Tagen in den Badesee oder die Nordsee warf. Aber er passte genau auf, und seine Blicke folgten mir vom Ufer aus. Wir haben im Gartenhaus geschlafen, wenn die Nächte schön waren und die Tage frei.
Wo auch immer ich hinfuhr, er war dabei.
Das Wichtigste beim Autokauf: der Kofferraum.
Wie oft habe ich ihn beneidet, wenn ich viel Arbeit hatte und er völlig entspannt zu meinen Füßen im Schlaf grunzte.
Als ich ihn mal in eine Transportbox sperrte, baute er kurzerhand das Fenster aus und bewegte sich ins Freie. Mehrfach. Einmal blieb dabei das Fenster an ihm hängen.

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Meier blieb nicht gern allein. Vielleicht weil er als Obdachlosenhund angefangen hat. Da ist störende Berufstätigkeit kein Thema. Allerdings hat der Besitzer seiner frühen Jahre ihn mehrfach an Passanten verkauft. Meier ist denen aber immer wieder weggelaufen und zurückgekommen. Irgendwann hat der Tierschutz den Obdachlosen enteignet.
Im Tierheim nannte man ihn Blacky. Wenig originell.
Nach vier Wochen kam ich. Und ein neuer Name.
Die Tierärztin hat ihn jahrelang Schröder genannt, aber Meier hat es nicht krumm genommen.

Vor vier Wochen noch nannte man ihn einen Welpen, als er seine Nase tief in die Miesmuscheln grub, da am Meer zwischen all diesen Neujahrsgängern unter einem wunderbaren William-Turner-Himmel.

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Bis zu seinem letzten Tag habe ich meinen Hund die Treppe rauf und runter getragen, weil er nicht ohne mich schlafen wollte.
Wenn wir nur zusammen waren, dann war alles gut.

Was können wir sagen, wenn ein Leben zu Ende geht?
Es bleibt alles Gestammel, das mühevolle Ringen um Fassung und Haltung und ein Ende der Tränen. Das Leben wird ein anderes sein.

Aber es bleibt ein Leben.

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2 Antworten

  1. Ach, Meier! Unsere Runden um das Berufsschulzentrum werden mir fehlen! Richte dich behaglich ein da oben, und grüß mir Alyosha, der dir schon mal vorausgelaufen ist – wie er es immer getan hat. Es könnte noch ein Weilchen dauern, aber wir sehen uns wieder. Mach’s gut, alter Freund!

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